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4. Die Dammstrasse in historischen Quellen
Die Dammstraße verband Leinstraße und Köbelingerstraße (Abb. 1,2), sie überwand auf 110 m Länge einen Höhenunterschied von 1 m. Obwohl sie auf dem Marktplatz begann, war sie von geringerer verkehrstechnischer Bedeutung, da sie - im Unterschied zur Kramerstraße - zu keinem Stadttor führte. An ihrem südlichen Ende entstand nach 1291 ein Minoritenkloster. Es diente nach seiner Auflassung in der Reformationszeit als städtisches Armenhaus, bis dort im 17. Jh. die landesherrliche Residenz errichtet wurde. Der Ursprung des Straßennamens ist nicht gesichert, 1369 ist er als Platea Dammonis erstmals bezeugt. Der bisher dort vermutete - und für die Umbenennung 1977 namengebende - Bohlendamm wurde bei archäologischen Baustellenbeobachtungen im Straßenbereich nicht festgestellt. M. Schormann leitete ihren Namen von einem Damm im Werderbereich der Leine ab, zu dem sie ursprünglich hinführte[34]. Die Haus- und Verlassungsbücher dokumentieren ab dem frühen 15. Jh. die Abfolge der Grundeigentümer in der Dammstaße. M. Schormann erarbeitete die Besitzergeschichte der Grundstücke. Da seine Ergebnisse noch nicht umfassend publiziert sind[35], werden sie in Regestenform wiedergegeben (siehe Anhang 1). K.F. Leonhardt ordnete den Schoßgrundstücken des 17. Jh. die älteren Eintragungen des Hausbuches zu, es ist daher möglich, anhand gemeinsamer Grundeigentümer benachbarter Grundstücke Besitzeinheiten zu erschließen, hinter denen sich spätmittelalterliche Grundstücksgrenzen verbergen dürften (Abb. 6,1)[36]: Bereits im frühen 15. Jh. sind die Grundstücke der nördlichen Grabungsflächen (K 38-40) in Händen verschiedener Eigentümer und damit als eigenständige Liegenschaften zu betrachten. Dies gilt nicht für die Grundstücke der südlichen Grabungsfläche: K 47 umfaßt bis 1469 auch die Bude K 48; K 46 gehört bis 1459 zu K 45. M. Schormann rekonstruierte daher aus diesen Teilgrundstücken zwei ältere längsrechteckige Parzellen, die im folgenden als "alt K 47" und "alt K 45" bezeichnet werden. Ferner betrachtete er die Grundstücke K 49-55 mit L 1-2 als ursprünglich zusammengehörige Großparzelle an der Ecke Dammstraße/ Leinstraße (Abb. 6,2)[37]. Das Hausbuch läßt freilich keine Verbindungen zwischen L 2 und den übrigen Grundstücken erkennen. Der unter K 51 geführte Eintrag "Die Stenbode von Hans Swiders Haus L 2" wurde von M. Schormann plausibel als Schreibfehler identifiziert: Hans Swider war Eigentümer von L 1[38]. Ausschlaggebend für diese Rekonstruktion war wohl die mit K 48 gemeinsame Grenze, die sich bis zur Kriegszerstörung erhalten hatte (Abb. 6,1). Der westliche Teil dieser vermeintlichen Großparzelle, die Grundstücke K 49-55 und L 1, besitzt Gemeinsamkeiten: Im frühen 15. Jh. wird als einziger Grundeigentümer der Schneider Hans Kone genannt, ihm gehören K 49, K 50 und L 1. Die Parzellen K 51 und 53 erscheinen erst 1474 und zwar in der Hand eines Eigentümers, des wohlhabenden Schneiders Hans Swider. K 55 wird erst 1492 genannt, K 52 erst 1521, K 54 explizit 1550 von K 53 abgeteilt. Die verzögerten Erwähnungen legen die Vermutung nahe, daß diese Grundstücke von den früher genannten Parzellen abgeteilt wurden. Darauf deutet ferner, daß K 51 ausdrücklich als "Steinbude von L 2" (gemeint ist L 1) bezeichnet wird und daß Mauritius van Linden 1474 Parzelle K 53 nur "ohne die Steinbude" erhält, die offenbar als zugehörig betrachtet wurde. K 53 ist das einzige Grundstück dieser Gruppe mit domus-Rang, das bereits 1433 genannte L 1 könnte diesen eingebüßt haben (wie die Rasur zeigt). Diese Indizien könnten daraufhin deuten, daß die genannten Grundstücke ursprünglich ein Anwesen bildeten. Hans Kone wäre der letzte Besitzer des ungeteilten Anwesens. Seine Erben teilten es auf und veräußerten 1464 den vorderen Bereich an Hans Swider. Erst ab 1474 könnte dieser Teil in die kleineren Einheiten L 1 und K 51-55 unterteilt und gewinnbringend verkauft worden sein - ein Verfahren, das heute noch bei der Umwandlung von Miethäusern in Eigentumswohnungen lukrativ ist. Das erschlossene Anwesen K 49-55/ L 1 wird im folgenden "alt L 1" genannt - nach dem Grundstück L 1 mit möglicherweise älterem domus-Rang. Dessen erster belegter Besitzer ist Bertold Heyde, wahrscheinlich besaß er dementsprechend das gesamte Areal "alt L 1". Die im Haus- und Verlassungsbuch genannten Personen sind zwar die Grundeigentümer, aber nicht unbedingt die tatsächlichen Bewohner, freilich ist dies besonders dann wahrscheinlich, wenn ihr Haus in der Dammstraße ihr einziger Grundbesitz ist. Das gilt insbesondere für Hans Kone, der außerhalb von "alt L 1" keinen Hausbesitz hat. Ausdrücklich als Bewohner wird nur Mauritius van Linden bezeichnet (K 53 - 1474: "ubi nunc habitat"). Die von K.F. Leonhardt vorgelegte "Karte der Berufsverteilung" für Hannover im Jahre 1435 ist nur unter diesem Vorbehalt interpretierbar (Abb. 7,1)[39]. Die zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe unter den Grundbesitzern in der Dammstraße, einschließlich der nicht ausgegrabenen Grundstücke, sind nach M. Schormann deutlich die Schneider, gefolgt von Kaufleuten und kleineren Händlern, hier bietet sich somit das typische Bild einer luttiken strate in Hannover[40]. Der Grundbesitz des Patriziats und der Rentner konzentriert sich dagegen entlang der breiten Hauptstraßen, besonders entlang der Leinstraße und am Markt, dies dürfte auch den höheren Rang dieser Wohnlagen widerspiegeln, in der auch wohlhabende Handwerker als Hausbesitzer erscheinen[41]. Diese Vermutungen über die Grundstücksentwicklung und Sozialstruktur sollen am archäologischen Befund überprüft werden. |
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