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zur homepage Rainer Atzbach, Die mittelalterlichen Funde und Befunde der Ausgrabung Hannover-Bohlendamm

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8. Die Funde

8.3. Glas

8.3. Glas

Aus der wohl um 1300 angelegten Grube H stammen mehrere Fragmente von Zehneckgläsern[231], darunter ein großes Oberteilbruchstück, das ein Gefäßvolumen von etwa 0,5 l erschließen läßt (Abb. 73, 236-238). Zehneckgläser, von denen bisher ausschließlich Oberteile vorliegen, sind nach dem heutigen Forschungsstand auf den norddeutschen Raum und das späte 13. bis frühe 14. Jh. beschränkt[232]. Die Bodenfragmente (Abb. 73,239-241) sind nicht genauer denn als "Becher" anzusprechen, die Fußgestaltung weist in das 13./14. Jh[233]. Dazu kommt ein Flachglasfragment (Fensterglas, Abb. 74,242). Flachglas wird seit der Antike hergestellt, Theophilus Presbyter (1070- ca. 1125) beschreibt die Gewinnung aus längs aufgeschnittenen und geglätteten Zylindern. Im 14. Jh. wird diese Technik zunehmend durch die Produktion von Butzenscheiben und das sog. "Mondglasverfahren" ersetzt, hierbei wird eine "große Butzenscheibe" hergestellt und noch in der Glashütte in meist rautenförmige Stücke zerteilt, die charakteristische konzentrische Schlieren zeigen. Diese fehlen und erlauben so einen Datierungsvorschlag bis in das 14. Jh, der sich mit der Zeitstellung der Grube H (um 1300) gut vereinbaren läßt[234]. Die Bruchstücke einer hochschultrigen Glasflasche sind grob in das 16. Jh. zu datieren (Abb. 74,244), sie kommen aus dem Mauergeviert IR VIIa, das ausschließlich frühneuzeitliche Funde enthielt[235]. Aus der spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Latrine II-44 (15./16. Jh.) stammen mehrere, allerdings wenig spezifische Rand- und Wandscherben des 13./14.-16/17. Jh. Hervorzuheben sind die Randscherben eines Rippenbechers (15./16. Jh., Abb. 74,246), mehrere Wandscherben von Nuppenbechern (13./14. Jh.: Abb. 75,248,249; 15./16. Jh.: Abb. 75,250) und Bodenscherben von Stangengläsern/ Paßgläsern (15./16. Jh. Abb. 75,255,256). Ihre Vergesellschaftung mit Siegburger Steinzeug und Hafnerware ist leider nicht gesichert, sie würde eine Datierung in das 16. Jh. ergeben.

Die Latrine III-11 enthielt ein Fragment eines "Bechers mit gekniffenem Band", für den gute Parallelen aus dem 13. Jh. aus Braunschweig und Magdeburg vorliegen (Abb. 76,258), dazu kommt eine Fußscherbe eines Bechers mit Fadenauflage, der allerdings nicht genauer als in das späte Mittelalter einzugrenzen ist (Abb. 76,259), die unterste Füllung dieser Latrine weist in das 14. Jh. und sichert diese Datierung in etwa ab. Als Lesefunde traten 25 unverbleite Butzenscheiben auf (Abb. 76,260). Butzenscheiben wurden vom 14. Jh. bis zum späten 17. Jh. und darüberhinaus produziert, die Stärke von 4 mm legt eine Fertigung eher am Ende dieser Zeitspanne nahe[236].

Damit konzentrieren sich die Glasfunde der Grabung Bohlendamm auf die schon oben genannten Latrinen und Grube H. Sie dürften ein weiteres Indiz für den Wohlstand der zugehörigen Haushalte sein. Die Herstellung aller im Katalog erfaßten Glasfunde wird im südniedersächsischen Raum erfolgt sein, aus dem zahlreiche Glashütten bekannt sind[237]