mittelalterarchaeologie.de (jpg)
zur homepage Rainer Atzbach, Die mittelalterlichen Funde und Befunde der Ausgrabung Hannover-Bohlendamm

zur Inhaltsangabe

8. Die Funde

8.1.8. Einheitlich reduzierend gebrannte jüngere Kugeltopfkeramik

8.1.8.1. Variante Warenart d1: Einheitlich reduzierend gebrannte, braungraue Ware

8.1.8.2. Variante Warenart d2: Einheitlich reduzierend gebrannte Ware mit metallisch glänzender grauschwarzer Oberfläche

8.1.8.3. Variante Warenart d3: Eineitlich reduzierend gebrannte Ware mit schwarzem Kern

8.1.8. Einheitlich reduzierend gebrannte jüngere Kugeltopfkeramik

8.1.8.1. Variante Warenart d1: Einheitlich reduzierend gebrannte, braungraue Ware (Abb. 43,80 - 48,116)

Das Magerungsbild dieser Warenart unterscheidet sich erheblich von dem der oben vorgestellten Warenarten: Die Magerung besteht fast ausschließlich aus runden oder kantigen feinen Quarzkörnern, die im Unterschied zur Quarzfraktion der Warenarten a und b durchsichtig-farblos sind. Vereinzelte mittelgroße Partikel sind ebenso die Ausnahme wie schwarze Basaltstücke. Die Magerungsdichte hat stark zugenommen, ausgebrochene Körner hinterlassen Höhlungen. Dies ergibt einen mit bloßem Auge gesehen unregelmäßigen, unter der Lupe charakteristisch "wabenartigen" Bruch. Die Oberfläche ist glatt, nur einzelne Körner durchstoßen sie, deren Anzahl mit zunehmender Härte des Scherbens wächst. Dieser ist sehr hart bis klingend hart. Die Farbpalette beschränkt sich auf Braungrau bis Schwarzgraubraun bei sehr einheitlich gefärbter Oberfläche, der Bruch ist stets heller.

Die Wandstärke beträgt 0,5-0,7 cm. Auffallend ist die sehr gleichmäßige Gestalt auch der Wandscherben. Unebenheiten treten nur auf ihren Innenseiten als Spuren der freihändigen Herstellung des unteren Gefäßteils auf. Der obere Gefäßteil (hoher Hals und Rand) wurde regelhaft mit einem Formholz sorgfältig überdreht und annähernd konisch ausgebildet. Obwohl die Herstellungsweise der Kugeltöpfe noch nicht geklärt werden konnte, ist nach der Gestalt der vorliegenden entwickelten Formen die Theorie einer Kombination von echter Drehscheibenfertigung und anschließendem Auftreiben des Kugelbauches zu bevorzugen[175].

Das Formenspektrum erweitert sich mit dieser Warenart gegenüber der älteren Kugeltopfkeramik beträchtlich (Abb. 22): Die Töpfe besitzen überwiegend Kugelböden, ein großes Fragment (Abb. 43,86) belegt eine beutelförmige Gestalt. Unter den Topfrändern dominieren verdickte, innen gekehlte Formen (RF 14-16: Abb. 44,91 - 45,100) und Lippenränder (RF 11-13: Abb. 43,82- 44,90). Möglicherweise trugen die innen gekehlten Randformen (Holz-) Deckel. Zahlenmäßig treten demgegenüber Trichterränder (RF 17: Abb. 45,101.102) klar zurück , ebenso ein hoher, gratiger Rand (RF 6: Abb. 43,80) und ein spitz ausgezogener Rand (RF 10: Abb. 43,81). Dies gilt auch für einen innen abgeknickten und einen abgestrichenen Rand (RF 20: Abb. 45,105 und RF 24: Abb. 46,109). Mit Randdurchmessern zwischen 11 und 16 cm bewegt sich die Topfgröße in den schon von der älteren Kugeltopfkeramik bekannten Dimensionen. Die Töpfe können randständige Bandhenkel aufweisen (Abb. 43,82).

Als Variante des Kugelbodengefäßes erscheint der Vierpaßbecher, belegt u.a. durch ein unversehrt erhaltenes Exemplar (Abb. 46,107.108). Schüsseln oder Schalen liegen in unterschiedlichen Größen vor (Abb. 47,110-112), die zum Vorleg- oder Eßgeschirr zu rechnen sind. Ihre unregelmäßige Wandgestaltung deutet auf eine nachgedrehte Herstellung hin. Ein steiles Randfragment könnte zu einer Lampe oder eher Kachel gehören (Abb. 48,113). Weitere Randscherben mit enger Mündung sind nur unsicher anzusprechen: es muß offen bleiben, ob es sich bei ihnen um die Mündungen von Bechern, Krügen oder Kacheln handelt (RF 18,19: Abb. 45,103.104; RF 21: Abb. 46,106), der zugehörige Gefäßkörper war offenbar von gestreckter Form. Der mit randlichem Wellenband verzierte große Bandhenkel (Abb. 48,116) gehörte dagegen mit großer Sicherheit zu einem Einhenkelkrug. Von der Existenz einer kleinen Tüllenkanne zeugt ein Ausgußfragment (Abb. 48,114).

An fast allen Gefäßen tritt als einzige Dekorform die schon bekannte Riefenzier im Halsbereich auf. Sie kann flau-gerundet (Abb. 43,86) oder scharfgratig (Abb. 44,100) ausgebildet sein und beschränkt sich auf die Halszone. Nur der Mehrpaßbecher zeigt eine abweichende, nämlich spiralige Zier im Halsbereich innen und außen (Abb. 46,108). Eine Bodenscherbe gehört zu einem Wellenboden (Abb. 48,116). Sie belegt das Ende der ausschließlichen Verwendung von Kugelbodengefäßen .

8.1.8.2. Variante Warenart d2: Einheitlich reduzierend gebrannte Ware mit metallisch glänzender grauschwarzer Oberfläche (Abb. 48,117 - 59,176)

Technologisch ist diese Warenart Variante d1 ähnlich. Sie unterscheidet sich von dieser allerdings durch eine deutlich abweichende Oberflächenbeschaffenheit: Die Farbe ist dunkler, sie liegt innen und außen sehr einheitlich bei Schwarzgraubraun bis Grauschwarz, im Bruch stets bei Hellbraungrau. Weite Partien der Innen- und Außenseite zeigen einen charakteristischen, metallischen Glanz (self-slip-Engobe). Im Verein mit der tendenziell höheren Härte weist er auf eine höhere Brenntemperatur hin. Die Gefäße zeugen von sehr sorgfältiger Gestaltung: die Oberteile besitzen innen und außen Drehspuren, für die Rand- und Halszone wurde ein Formholz benutzt. Die Bauchzone wurde dagegen frei geformt und glättend im lederharten Zustand überarbeitet - wie zahlreiche feine Wischspuren bezeugen. Zur sorgfältigen Formgebung paßt die geringe Wandstärke von 0,4-0,5 cm.

Der Übergang zur einheitlich reduzierend gebrannten Warenart d1 ist fließend; so gibt es Fragmente, die außen die typische schwarzgraue metallisch glänzende Oberfläche besitzen, aber innen einheitlich stumpf-braungrau gefärbt sind und insofern zwischen beide Warenarten einzuordnen wären (Abb. 43,81; 48,119; 49,126; 54,145).

Das Spektrum der Rand- und Gefäßformen deckt sich im wesentlichen mit Warenart d1 (Abb. 22): Der Kugeltopf ist in zwei vollständigen Exemplaren vertreten (Abb. 53,144; 54,145): der Bauch ist gedrückt-kugelig ausgebildet, darüber erhebt sich ein abgesetzter, meist mit spitzgratiger Riefenzier bedeckter konischer Hals. Als neue Topfform erscheint in dieser Warenart der Grapen, der - wie der Kugeltopf - in verschiedenen Größen üblich ist: Neben einem großen Exemplar (Abb. 51,137) mit unterrandständigem Bandhenkel gibt es einen kleinen Grapen mit niedrigen Beinen und Stielhenkel (Abb. 49,129). Beide Vertreter lassen ihre enge Verwandtschaft mit dem Kugeltopf erkennen.

Als Randformen der Töpfe überwiegen klar die gekehlten Ränder (RF 14-15: Abb. 51,136 - 55,148), gefolgt von den formal nahestehenden unverdickten und "s"-förmig profilierten Lippenrändern (RF 12: Abb. 49,123-129; RF 13: Abb. 50,130-135). In geringerer Stückzahl sind Trichterränder vorhanden (RF 17: Abb. 55,149-152). Dies gilt auch für die verdickten Lippenränder (RF 11: Abb. 49,121,122). "Einfache Ränder" sind selten (RF 2: Abb. 48,117.118; RF 4: Abb. 48,119; RF 10: Abb. 48,120). In dieser Warenart erscheint erstmals der Keulenrand (RF 27: Abb. 56,160 - 57,163).

Anhand der erhaltenen Gefäße und Gefäßprofile läßt sich ein Zusammenhang zwischen Randdurchmesser und Volumen erkennen, der rückblickend auch auf die älteren Warenarten zutreffen könnte (Abb. 23): Einer Mündungsweite von 9-10 cm entsprechen 0,4- 1 l Volumen, 11-13 cm ca. 2-3 l, über 13,5 cm beträgt das Volumen über 3 l, über 15 cm offenbar mehr als 4 l. Die größere Bandbreite der Randdurchmesser zeigt somit, daß neben großen Koch- oder Vorratstöpfen (über 12 cm Mündungsweite) auch kleinere, becherartige Formen in Gebrauch waren (8-10 cm Mündungsweite) und sich auch in dieser Hinsicht das Typenspektrum erweitert zu haben scheint.

Möglicherweise belegt eine Bodenscherbe (Abb. 59,175) Standbodentöpfe, doch könnte es sich ebensogut um das Bruchstück eines Standbodenbechers handeln. Zu letzterem gehört sicherlich ein Bodenfragment mit einziehendem Fuß (Abb. 59,176). Auch in dieser Warenart gibt es Vierpaßbecher (RF 22: Abb. 56,155.156). Beide Fragmente zeigen eine steile Mündung. Zu einer nicht näher bestimmbaren Becherform gehörte wohl ein hoher, glatter Rand (RF 23: Abb. 56,157). Hinzu kommen Tüllenkannen in verschiedenen Größen: Neben einem Tüllenfragment (Abb. 59,172), das zu einem größeren Gefäß gehört haben muß, gibt es ein kleines, aber vollständiges Exemplar (Abb. 50,135). Letzteres besitzt drei grob ausgekniffene Standlappen und einen gegen die Mündung verschwenkten Stielhenkel. Seine Größe und Form erinnern sehr an den o.g. kleinen Grapen - mit dem es auch vergesellschaftet war. Wahrscheinlich zu einer Becherkachel gehörte der Trichterrand (RF 19: Abb. 55,153), er gleicht sehr dem Pendant in Warenart d1 (Abb. 45,104). Ein Kragenrandfragment (RF 31: Abb. 58,169) ist als Überrest eines Kruges anzusprechen. Schüsseln oder Schalen sind in mehreren Exemplaren vertreten (RF 25: Abb. 56,158; RF 29: Abb. 58,166.167), deren Größe auf eine Verwendung als Vorlegteller hindeuten könnte. Eine verwandte Grundform sind Schüsselkacheln (RF 28: Abb. 58,164.165) mit geringerer Mündungsweite. Ein kleines Randbruchstück ist möglicherweise als Überrest einer Lampe zu identifizieren (Abb. 56,159).

Das obligatorische Zierelement bleibt die Riefenzier. Sie erscheint mit gerundeten oder scharfkantigen Riefengraten an fast allen Halszonen und diente neben der Ästhetik sicherlich auch der Griffigkeit. Als abweichende Zierform tritt eine Kehlung der Halspartie hinzu (Abb. 48,119; 51,137), die sich aus dem Absatz des Halses gegen die Schulterzone ergibt und dementsprechend prinzipiell auch bei Gefäßen mit Riefenzier vorauszusetzen ist. Handhaben sind als unterrandständige Bandhenkel ausgebildet (Abb. 49,122; 51,137; 54,147), darüberhinaus gibt es Stielgriffe (Abb. 49,129; 50,135; 59,173).

8.1.8.3. Variante Warenart d3: Einheitlich reduzierend gebrannte Ware mit schwarzem Kern (Abb. 59,177 - 60,182)

Diese Warenart unterscheidet sich von den beiden o.g. Varianten der jüngeren Kugeltopfkeramik deutlich durch ein abweichendes Magerungsbild: Im Bruch zeigen sich runde oder kantige, weiße, undurchsichtige Quarzkörner. Obwohl sie meist von feiner Korngröße sind, gibt es auch mittlere oder grobe Partikel. Sie treten überwiegend ummantelt an die Oberfläche, besonders die größeren Magerungskörner können sie allerdings auch durchbrechen. Der Scherben ist hart bis sehr hart. Die Gesamterscheinung der Oberfläche erinnert an die einheitlich reduzierend gebrannte Warenart d1, das Farbspektrum reicht außen und innen von Schwarzgrau bis Hellbraungrau. Auffallend abweichend ist der im Kern schwarze bis braunschwarze Bruch, der auch kompakter wirkt als die "wabenförmige" Struktur von d1 oder d2. Insbesondere die Wandscherben sind unregelmäßig geformt, hier kann wiederum auf eine zunächst freihändige, dann auf der "langsam laufenden" Drehscheibe überdrehende Herstellungsweise geschlossen werden.

Es liegen keine vollständig rekonstruierbaren Gefäße oder Gefäßprofile vor. Die gekehlten Lippenränder (RF 14: Abb. 60,178-180) und die Keulenränder (RF 27: Abb. 60,181) sind größeren Töpfen (unbekannter Bodenform) mit Mündungsweiten zwischen 13 und 15 cm zuzuschreiben. Ein kleiner "s"-förmig profilierter Lippenrand (RF 13: Abb. 59,177) muß wegen seines geringeren Durchmessers von einem kleinen Topf oder Becher stammen. Ein Fragment (RF 25: Abb. 60,182) ist als Bruchstück einer weitmündigen Schüssel zu identifizieren. Die Randstücke der größeren Töpfe tragen im Halsbereich eine weite scharfgratige Riefenzier, die sehr an die Zierweise der beiden vorgenannten Varianten erinnert.

 

zum Seitenanfang