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8. Die Funde

8.1.10. Zum Phänomen der steinzeugartig hart gebrannten Scherben

8.1.10. Zum Phänomen der steinzeugartig hart gebrannten Scherben

Bei neueren Keramikbearbeitungen wurden angesinterte bzw. gesinterte Randscherben mit klingend hart gebrannten grauen Scherben zu gesonderten Warengruppen zusammengefaßt, die stets einen nur geringen Prozentsatz der Keramikfunde stellen[204]. Die Ausgliederung einer derartigen Warenart war im Fundmaterial der Grabung Hannover-Bohlendamm nicht möglich: Besonders hart gebrannte Scherben (Mohs 6-8) der Warenarten d1 und d2 unterschieden sich in ihrem Magerungsbild, der Oberflächenbeschaffenheit und auch hinsichtlich der makroskopisch erkennbaren Magerungsbestandteile nicht von den übrigen Stücken dieser Warenarten. Eine Bestimmung des Anteiles unter den unverzierten Wandscherben wäre nur mit dem Härtebesteck möglich und dementsprechend unpraktikabel gewesen.

Wie die Verteilung der Randformen über die Härtegrade zeigt (Abb. 24), sind den härteren Randscherben keine spezifischen Rand- und damit Gefäßformen zuzuweisen. Klar zeichnet sich dagegen eine Zunahme der Brandhärte von Warenart d1 nach d2 ab. Dies gilt weitestgehend auch für die (an-)gesinterten Randscherben (Warenart d1: RF 13 Abb. 43,86; 48.115; RF 16: 45,100; Warenart d2: RF 27 und 28, Abb. 57,161.162; 58.164.165). Im Gegensatz zu den besonders hart gebrannten Scherben sind sie durch die amorphe Gestalt der Matrix zwischen den Magerungspartikeln leicht von den übrigen Vertretern ihrer jeweiligen Warenart zu unterscheiden. Ihre Oberflächenfarbe und -behandlung paßt gut in das Bild der jeweiligen Warenart. Schon ihre geringe Anzahl im Fundgut der Grabung Bohlendamm verbietet eine Ausgliederung als gesonderte Gruppe. Sie gehören zu Töpfen und Kacheln (siehe Abb. 24). Ihnen sind also keine spezifischen Rand- oder Gefäßformen zuzuordnen - sieht man davon ab, daß die drei einzigen Vertreter des Keulenrandes (RF 16) und des horizontal umgelegten Kachelrandes (RF 28) gesintert sind, aber dies ist schon wegen des Fehlers der kleinen Zahl nur sehr bedingt aussagekräftig.

Die Betrachtung ihrer Zeitstellung läßt sie noch klarer als Randerscheinung ausmachen: Die älteste gesinterte Scherbe stammt aus einer Aufschüttungsschicht, die zum Bau des Steinwerks (um 1200) gehört, die jüngsten aus Grube N (nach 1469). Auch im übrigen Südniedersachsen können den "steinzeugartig hart gebrannten Waren" keine charakteristischen Rand- oder Gefäßformen bzw. Datierungen zugeordnet werden[205]. Im "Pottland", dem Herkunftsort der Stücke vom Bohlendamm, beginnt die Produktion von "echtem" Faststeinzeug nach rheinischem Vorbild mit einem charakteristischen Formenschatz schon im 13./14. Jh. (vgl. Warenarten e2/e3). Demnach wird es sich bei den fraglichen Stücken wohl weniger um eine eigenständige Warenart, die Steinzeug imitierte, als um die Folge eines heißeren Brandes handeln.

Die Produktion von echtem Steinzeug und Irdenware in einem Brennvorgang und Ofen ist grundsätzlich bei steinzeugfähigen Tonen möglich[206]. S. Schütte weist auf die durchschnittlich höhere Brenntemperatur nordwestdeutscher Keramik gegenüber süddeutscher hin; schon um 1200 treten auch in Göttingen vereinzelte gesinterte Stücke auf. Er deutet sie als die Spitzenfolgen des grundsätzlichen Bemühens um einen härteren, dichteren Scherben und nicht als beabsichtigte Warenart[207]. Nun sind Steinzeuggefäße nicht als Kochgeschirr geeignet: infolge hoher Binnenspannung zerspringt ein solcher Topf im Feuer. Dennoch liegen selbst in frühem Siegburger Steinzeug Topfformen vor[208]. Will man diese Erscheinung nicht als zufällig überheizte Gefäße werten, so könnte dies bedeuten, daß hier nicht Koch-, sondern Vorratstöpfe produziert worden sind. Diese werden ja bis in die Gegenwart aus Steinzeug gefertigt (z.B. "Sauertöpfe" aus Westerwälder Blauwerk). Das ist wohl nur am Produktionsort verläßlich zu klären. Um dennoch in dieser Hinsicht Vollständigkeit zu bieten, sind die betreffenden Fundstücke im Katalog durch Angabe der Härte bzw. Sinterung gekennzeichnet.

 

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