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6. Das Bild der Dammstrasse: Historische Abbildungen
Das aus den Befunden gewonnene Bild der Dammstraße bleibt schemenhaft. Unklar ist insbesondere, welche mittelalterlichen Bauteile im aufgehenden Bestand bis in die Neuzeit oder gar bis zur Kriegszerstörung erhalten waren. Eine Quelle für die Bebauungsentwicklung sind historische Karten und Pläne[83]. Während frühe Pläne nur Übersichtscharakter haben, ist der sog. Borgstaedtsche Plan von 1770/80 von besonderem Wert: es handelt sich um das Deckblatt des ältesten - leider verlorenen -Katasterplanwerkes von Hannover (Abb. 20,2)[84]. Auch auf dem Deckblatt sind Haus- und Grundstücksgrenzen - allerdings weniger exakt - eingetragen. Im späten 18. Jh. sind alle Straßenfronten der Grabungsfläche geschlossen bebaut. Gut zu erkennen sind die unbebauten Innenhöfe: an der Ostflanke von "alt L 1" reihen sich kleinere Nebengebäude, die leicht mit den entsprechenden Grabungsbefunden zu identifizieren sind, diese kleinen Nebengebäude sind somit frühneuzeitlich (Beil. 1, IR 17-20; Beil. 8, orange). IR 16 ist noch unbebaut, der ausgegrabene Befund also jünger. Der Hinterbereich von Dammstr. 13 (IR 24-26) weicht von den mittelalterlichen Befunden klar ab und wurde offenbar in der frühen Neuzeit umgestaltet. Die Bebauung im Bereich der Köbelingerstraße und K 47/48 sind gut mit den geschilderten jüngsten Befunden zu identifizieren: möglicherweise wurde im 15. Jh. nur die Westhälfte des Rückgebäudes von K 38/39 abgebrochen, dies würde die tendenziell bessere Erhaltung der Osthälfte erklären, an deren Stelle auf dem Plan ein Bau eingetragen ist (Pfeil). Über jene Häuser, zu denen die Grabungsbefunde vom Bohlendamm gehörten, gibt es keine Bauakten - mit Ausnahme des Neubaues über K 40 aus dem 19. Jh. Sie zählten 1932 nicht zu den Kunstdenkmälern Hannovers und wurden daher von A. Nöldeke nicht aufgenommen; aus den aufgeführten Nachbargebäuden ist lediglich eine dreigeschossige Bebauung der Köbelingerstraße und eine viergeschossige Bebauung der Dammstraße zu erschließen[85]. Es gibt keine historischen Darstellungen der betreffenden Häuser - abgesehen von den Zeichnungen der "Coldunenborch". Aus dem Jahr 1586 ist zwar eine Stadtansicht Hannovers überliefert, auf der auch die Dammstraße zu erkennen sein müßte (Titelblatt oben, die Dammstraße müßte sich zwischen den Türmen des Rathauses und der Ägidienkirche befinden), dies ist jedoch nicht sicher: wie W. Krings eindrucksvoll nachwies, handelt es sich bei frühen Stadtdarstellungen mehr um symbolische als um naturalistische Abbildungen. Die betreffende Quelle müßte also vor einer Auswertung zunächst kunsthistorisch ediert werden, um die "Bilder hinter dem Bild" zu erfassen[86]. Die Dammstraße war eng und dunkel, bot also auch keine günstigen Voraussetzungen für Photographien. Daher existiert nur eine auswertbare Aufnahme aus der Zeit um 1900 (Abb. 83/2)[87]. Sie bietet eine Ansicht des Innenhofes IR 27/ 4 zwischen Dammstraße 14 (links im Vordergrund) und dem Rückgebäude Dammstraße 15 (rechts im Vordergrund) mit Blick auf das Vorderhaus. Während es sich bei den Hinterhäusern offensichtlich um ziegelgefüllte Fachwerkbauten des 18./19. Jh. handelt, dürfte das traufständige Vorderhaus mit Zwerchhaus älter sein. Es ist dreistöckig und überbaut eine rundbogig geschlossene Hofzufahrt. Die beiden oberen Stockwerke kragen leicht vor, die Zwischenräume der Deckenbalkenköpfe sind mit profilierten Windbrettern geschlossen, die rundstabig gekehlt sind. Diese Ausführung weist in das 17. Jh.[88] Vor dem Hintergrund dieser dürftigen Quellensituation bot sich ein Rückgriff auf Luftbilder an. Am 6.7.1941 fertigte die britische Royal Air Force mehrere Aufnahmen der Stadt Hannover zur Lokalisierung kriegswichtiger Bombenziele an[89]. Die große Flughöhe läßt allerdings auch in einer Ausschnittvergrößerung (Abb. 83/3) keine Details der Bebauung erkennen. Etwas ergiebiger sind dagegen Luftaufnahmen der Deutschen Wehrmacht, die vor Kriegsbeginn (präventiv, aus demselben Grund) angefertigt wurden[90]. Zu erkennen ist in einer Ausschnittvergrößerung die Leinstraße (das Leineschloß im Vordergrund) mit dem südlichen Ende der Dammstraße (Abb. 84/1, Pfeil). Hinter dem gründerzeitlichen fünfgeschossigen östlichen Eckgebäude Leinstr. 27 (historisch K 55/ L 1-3, vgl. Abb. 6) folgt die niedrigere, wohl viergeschossige und traufständige Bebauung der Grundstücke Dammstr. 9-15 (historisch K 47-54). Die Innenhöfe IR 15-20 und IR 27 zeichnen sich ab, unterteilt vom Hinterhaus Dammstr. 13. Im Vergleich zu den nördlich anschließenden Gebäuden Dammstr. 16 ff. deutet die geringe Tiefe der Häuser und die von mehreren Zwerchhäusern kleinteilig gegliederte Dachlandschaft auf eine frühneuzeitliche Bebauung ähnlich Dammstr. 15 (Abb. 83/2) hin, die insbesondere im Bereich des Steinwerks noch erhebliche mittelalterliche Bestandteile integriert haben könnte. Anders verhält es sich mit der Bebauung der Ecke Köbelingerstraße/ Karmarschstraße (Abb. 84/2, Pfeil): Dort ist ein großer Baukomplex unter einheitlichem Dach zu erkennen, der aus dem 19. Jh. stammt und bis heute erhalten ist. Er umschließt "L"-förmig als Hinterhof den Ostbereich der nördlichen Grabungsfläche, die offenbar nicht oder nur bis in geringe Höhe überbaut war. Deshalb konnte sie überreste des spätmittelalterlichen Hinterhauses (K 38/39) konservieren. Das zugehörige Vorderhaus Köbelingerstr. 1 war schon in historischer Zeit abgebrochen worden, an seiner Stelle erhob sich ein weiterer großer Baukomplex mit zwei Blendgiebeln aus dem 19. Jh. |
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